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Nina Scheer: Einordnung von Atomenergie als nachhaltig entwertet die Taxonomie und verleitet zu Fehlinvestitionen

Foto: W. Reichenbächer
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Berlin (LOZ). Zur aktuellen Diskussion um die Einordnung von Atomenergie im Rahmen der europäischen Taxonomie erklärt Dr. Nina Scheer, Sprecherin für Klimaschutz und Energie der SPD-Bundestagsfraktion:

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„Eine Einordnung von Atomenergie als nachhaltig entwertet die Taxonomie als Instrument, das es Investoren erleichtern soll, die Nachhaltigkeit von Geldanlagen zu erkennen. Mit einer finalen Aufnahmen von Atomenergie als nachhaltig wird die Taxonomie zur Bewertung von Geldanlagen wertlos und verleitet zu fatalen Fehlinvestitionen.

Atomenergie hat mit der ungelösten Endlagerfrage für hochradioaktiven Atommüll hohe Folgelasten, basiert mit Uranverwertung auf endlichen fossilen Rohstoffen, ist missbrauchsanfällig und als Risikotechnologie ohne staatliche Risikoübernahmen nicht versicherbar. Atomenergiegewinnung ist auf Kühlwasser angewiesen, das in Zeiten des Klimawandels und von Trockenheiten weltweit nicht kontinuierlich vorzuhalten ist und auch in Europa bei niedrigen Flusspegeln oder erwärmten Flüssen bereits den AKW-Betrieb beeinträchtigte.

Als teuerste Form der Energiegewinnung wird Atomenergie immer auf hohe Subventionen angewiesen sein. Während die Kosten für den Ausbau von Wind- und Solarenergie über das vergangene Jahrzehnt um 70 bzw. 90 Prozent gesunken sind, verzeichnet Atomenergie eine Kostensteigerung von 24 Prozent. Die Bauzeiten von Atomkraftwerken verzögern sich weltweit; am Beispiel des seit 2007 im Bau befindlichen AKW Flamanville wurde die für 2012 geplante Fertigstellung inzwischen auf 2024 bzw. 2025 verschoben, verbunden mit einer Kostensteigerung von einst angesetzten 3,3 Milliarden Euro auf nun angenommene 19,1 Milliarden Euro. Auch die sogenannten Smal Modular Reactors bieten dabei keine Perspektive: sie müssten zu tausenden gebaut werden, hierbei jeweilig den Sicherheitsanforderungen genügen und sind erst einsetzbar, wenn die betreffenden Strommengen zwischenzeitlich längst günstiger und sicherer durch Erneuerbare Energien gewonnen werden konnten.

Anders als Gaskraftwerke eignen sich Atomkraftwerke aufgrund ihrer schwerfälligen Regelbarkeit auch nicht bzw. vergleichsweise schlechter zum schnellen Ausgleich eines wachsenden Anteils fluktuierender Erneuerbarerer Energien und sind damit nicht oder nur mit weiteren ökonomischen Einbußen energiewende- bzw. klimaschutztauglich.

Eine Technologie als nachhaltig einzustufen, deren Endlagerfrage weltweit ungelöst ist, widerspricht sowohl dem Verursacherprinzip als auch den mit der EU-Taxonomie-Verordnung formulierten Kriterien.

Gemäß der Taxonomie-Verordnung und den hier benannten Kriterien sind ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu benennen, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Eine vergleichsweise geringe CO2-Lastigkeit wurde nicht als Kriterium definiert. Vielmehr ist erforderlich, dass von der Tätigkeit keine Beeinträchtigung der Umweltziele ausgeht, wobei die bereitgestellten Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus‘ zu berücksichtigen sind. Mit Blick auf die hochradioaktiven Abfälle kann Atomenergienutzung nicht als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit gelten.

Es spricht für sich, dass der weltweite Atomstromanteil nach Jahrzehnten hochsubventionierter Technologienutzung nur 10 Prozent beträgt und seit den 90er Jahren in der Tendenz rückläufig ist. Zwei Drittel des weltweiten Atomstroms konzentriert sich dabei auf nur 5 Staaten, die auch Atomwaffen- oder zumindest Zulieferstaaten sind, mithin ein zugleich militärisches oder zumindest handelsökonomisches Interesse an Atomtechnologienutzung haben.

Von französischer Seite wurde bereits eingeräumt, dass Atomenergie ohne eine Taxonomie-Einstufung als „nachhaltig“ keine Zukunft habe. Auch dies verdeutlicht, dass Investitionsentscheidungen zugunsten von Atomenergie ohne ein legislatives Schutzschild unökonomisch sind. Die ökonomischen Lasten der Atomenergienutzung sind zu hoch. Und eben dies kennzeichnet auch die bisherige Nutzung von Atomenergie: sie ist ein Milliardenfass ohne Boden.

Eine Mindestanforderung an Atomenergie müsste auch auf europäischer Ebene lauten, ein Endlager bereits zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung vorhalten und auch die Versicherbarkeit leisten zu können. Andernfalls lässt sich keine seriöse Investitionsentscheidung in Bezug auf Atomenergie treffen. Da dies für Atomenergie nicht erfüllbar ist, ist Deutschland konsequenterweise aus der Atomenergienutzung gesetzlich ausgestiegen. Wenn mit der vorläufigen Taxonomie für Atomkraftwerke etwa erst für 2050 der Nachweis einer Endlagermöglichkeit verlangt wird und damit fünf Jahre nach dem für die Taxonomie geltenden Zeitraum, verleitet dies zu Fehlkalkulationen zulasten der Allgemeinheit und künftiger Generationen.

Die Taxonomie-Verordnung soll als Teil des Green New Deal ein gemeinsames europäisches Verständnis der Nachhaltigkeit schaffen und Investitionen in nachhaltige Technologien fördern. Mit Österreich, Dänemark, Portugal und Luxemburg sprach sich Deutschland bereits im Rahmen der Klimakonferenz in Glasgow in einer gemeinsamen Erklärung für eine nuklear-freie EU-Taxonomie aus."

Wolfgang

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