Bürgerbeauftragte informiert über wichtige Änderungen im Sozialrecht im Jahr 2023

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Kiel (LOZ). Nach langen Beratungen des Bundesgesetzgebers wird es eine grundlegende Veränderung für Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchenden geben: aus „Hartz IV“ wird das neue „Bürgergeld“. Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, gibt einen Überblick über kommende Änderungen im Sozialrecht:

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Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld statt „Hartz IV“):

Bürgergeld: Zum 1. Januar 2023 tritt das neue Bürgergeld in Kraft. Die ersten Regelungen (wie z.B. die Erhöhung der Regelsätze, erhöhte Vermögensfreigrenzen, eine einjährige Karenzzeit bei den Unterkunftskosten oder die Bagatellgrenze für Rückforderungen) werden bereits zum 1. Januar 2023 eingeführt, die übrigen Änderungen (z.B. die Einführung eines Kooperationsplans statt der bisherigen Eingliederungsvereinbarung oder erhöhte Erwerbstätigenfreibeträge) folgen zum 1. Juli 2023. Soweit Leistungsbeziehende laufend Leistungen erhalten, müssen sie keinen gesonderten Antrag stellen.

Erhöhung der Regelsätze: Zum 1. Januar 2023 erhöht sich in Folge des Bürgergeldes der Regelsatz für alleinstehende und alleinerziehende Personen von 449 Euro auf 502 Euro im Monat. Eheleute und Lebenspartner erhalten statt 404 Euro künftig 451 Euro. Auch die Regelsätze für Jugendliche und Kinder sowie Menschen mit Behinderungen werden angepasst und können bei Bedarf bei der Bürgerbeauftragten erfragt werden.

Erhöhung der Mehr- und Schulbedarfe: Entsprechend ändern sich auch die Mehrbedarfe (beispielsweise für Alleinerziehende) sowie die Schulbedarfe (für das erste Schulhalbjahr auf 116 Euro und für das zweite Schulhalbjahr auf 58 Euro).

Sanktionsmoratorium: Zu beachten ist, dass durch den Wechsel zum Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 auch wieder Sanktionen ausgesprochen werden können. Das Sanktionsmoratorium, wonach die Sanktionen ausgesetzt wurden, läuft zum 31. Dezember 2022 aus. Allerdings wurden die Regelungen, wann sanktioniert werden darf, überarbeitet und an die Vorgaben der Rechtsprechung angepasst.

Sozialhilfe:

Erhöhung der Regelsätze: Auch in der Sozialhilfe gelten ab Januar 2023 die erhöhten Regelsätze, die den Beträgen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen.

Karenzzeiten: Für erstmalig Leistungsbeziehende werden im ersten Jahr des Leistungsbezugs die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung gewährt, auch wenn eine Wohnung zu groß und teuer ist. Zudem gelten die Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Tod eines Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft für ein Jahr weiterhin als angemessen.

Reparaturarbeiten am Eigentum: Unabweisbare Aufwendungen für die Instandhaltung und Reparatur von selbst bewohntem Eigentum werden nun übernommen.

Anrechnung von Einkommen: Mutterschaftsgeld und Einkommen aus Ferienjobs bleiben auch im Sozialhilfebezug als Einkommen unberücksichtigt. Es werden Freibeträge für Schüler, Studierende und Auszubildende bis 520 Euro monatlich eingeführt. Einnahmen aus Erbschaften stellen nun kein Einkommen mehr dar, sondern werden auf das Vermögen angerechnet.

Anrechnung von Vermögen: Ein „angemessenes“ Kraftfahrzeug (7.500 Euro) gilt nun als angemessenes „anrechnungsfreies“ Vermögen. Zusätzlich wird das Schonvermögen auf 10.000 Euro angehoben.

Kindergeld:

Ab dem 1. Januar 2023 erhöht sich das monatliche Kindergeld für das 1., 2. und 3. Kind auf 250 Euro. Für weitere Kinder werden wie bisher monatlich ebenfalls 250 Euro gezahlt. Die bisher geltende Staffelung wird aufgegeben. Eine Familie mit zwei Kindern erhält somit jährlich 744 Euro mehr.

Kinderzuschlag:

Ebenfalls zum 1. Januar 2023 steigt der monatliche Höchstbetrag beim Kinderzuschlag pro Kind von 229 Euro auf 250 Euro. Hierbei ist zu beachten, dass anrechenbares Eltern- und Kindeseinkommen (ohne Berücksichtigung von Kinder- und Wohngeld) den höchstmöglichen Betrag mindert.

Asylbewerberleistungsgesetz:

Die Leistungsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden ab 1. Januar 2023 erhöht. Der AsylbLG-Leistungssatz beträgt dann z. B. in der Bedarfsstufe 1 (gesamt) 410 Euro statt bisher 367 Euro. Alle weiteren Stufen werden ebenfalls entsprechend angepasst.

Unterhaltsvorschussgesetz: Durch die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro sinkt der Unterhaltsvorschuss. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses berechnet sich aus dem Mindestunterhalt abzüglich des Kindergeldes. Zwar wurde der Mindestunterhalt ebenfalls erhöht, aber nicht in dem Maße wie das Kindergeld. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses beträgt ab Januar 2023 für Kinder bis zu 5 Jahren 154 Euro statt bisher 177 Euro, für Kinder von 6 bis 11 Jahren 214 Euro statt bisher 236 Euro und für Kinder bis 17 Jahren 293 Euro statt bisher 314 Euro.

Gesetzlichen Krankenversicherung:

Elektronische Krankmeldung: Die Einführung der digitalen Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (eAU) für die Arbeitgeber wurde vom 1. Juli 2022 auf den 1. Januar 2023 verschoben. Ab nächstem Jahr können Arbeitgeber dann die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung direkt bei den Krankenkassen ihrer Beschäftigten abrufen.

E-Rezept: Die für den 1. Januar 2022 geplante Einführung des sog. E-Rezepts wurde auf den 1. September 2022 verschoben, wobei Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe eine Vorreiterrolle zugedacht war. Kurz vor der geplanten Einführung zog sich die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holsteins jedoch aus der Rollout-Phase zurück, da die Landesdatenschutzbeauftragte erhebliche Bedenken gegen die Versendung des E-Rezepts in digitaler Form als QR-Code per SMS oder E-Mail äußerte. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fordert gerade für sensible Gesundheitsdaten einen hohen Schutz und die Gematik-App, welche vom IT-Dienstleister des Bundes entworfen wurde, ist zum einen wenig verbreitet und fordert zum anderen eine Gesundheitskarte der neuesten Generation. Daher besteht weiterhin die Möglichkeit, Rezepte in Papierform auszustellen, bis eine Lösung für die datenschutzrechtlichen Probleme gefunden wurde.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Aufgrund der steigenden Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherungen in den vergangenen Jahren und der zu geringen Einnahmen, billigte der Bundesrat am 28. Oktober 2022 die Einführung des Finanzstabilisierungsgesetzes, welches zum 1. Januar 2023 in Kraft treten wird. Dies hat für Versicherte zur Folge, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der Gesetzlichen Krankenversicherung um 0,3 Prozent auf 1,6 Prozent steigt.

Wohngeldgesetz

Erhöhung des Wohngeldes: zum 1. Januar 2023 erfolgt eine Wohngeldreform. Das Wohngeld wird dabei an die Entwicklung der aktuellen Einkommen und der Warmmieten angepasst. Daneben wird eine dauerhafte Heizkosten- und Klimakomponente eingeführt. Durch die Reform soll dafür gesorgt werden, dass mehr Haushalte Wohngeld erhalten und dadurch das Entstehen sozialer Härten vermieden wird.

Im Gesetzesvorhaben befindlich: Gesetzliche Rentenversicherung:

Aktuell befindet sich das Achte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-ÄndG) noch in der Abstimmung. Sollte es ohne Veränderungen beschlossen werden gilt:

Hinzuverdienstgrenzen bei vorzeitigen Altersrenten: Wesentliche Änderungen gibt es ab dem 1. Januar 2023 bei den sog. Hinzuverdienstgrenzen in Zusammenhang mit (vorzeitigen) Altersrenten und Renten wegen einer Erwerbsminderung. Bislang mussten Rentner, die eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen, eine jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro beachten. Wurde diese Grenze überschritten, kam es zu einer Rentenkürzung. Nachdem in den Jahren 2020 bis 2022 aufgrund der Corona-Pandemie bereits eine deutlich höhere Hinzuverdienstgrenze galt, werden die Grenzen ab 2023 vollständig aufgehoben. Auch „Frührentner“ müssen dann keine Rentenkürzung mehr befürchten, wenn sie neben ihrer Rente weiter berufstätig sind.

Hinzuverdienstgrenzen bei Erwerbsminderungsrenten: Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, mussten bislang ebenfalls eine kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro beachten. Ab dem Jahr 2023 soll diese Grenze deutlich erhöht und künftig an die Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst werden. Für das Jahr 2023 bedeutet dies, dass erst ab einem Hinzuverdienst von 17.823,75 Euro die teilweise Anrechnung auf die Rente erfolgt. Auch bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung steigen die Hinzuverdienstgrenzen deutlich. Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung soll die Hinzuverdienstgrenze sechs Achtel der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße betragen. Dies entspricht den vorläufigen Werten von 35.647,50 Euro. Falls vor Eintritt der Erwerbsminderung ein höheres Einkommen erzielt wurde, soll hier die höhere individuell-dynamische Grenze gelten.

Rentenerhöhung: Nachdem es bereits 2022 eine spürbare Rentenerhöhung gab, sollen die Renten zum 1. Juli 2023 erneut steigen. Den Angaben des Bundesministers für Arbeit und Soziales zufolge könnte die Erhöhung in Westdeutschland bei 3,50 % und in Ostdeutschland bei 4,20 % liegen.

Im Gesetzesvorhaben befindlich: Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) und KiTaG:

Abschaffung der Kostenheranziehung: Im Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe soll ab dem 1. Januar 2023 die Beteiligung der jungen Menschen an den Kosten entfallen. Bisher mussten junge Menschen, die in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder in einer Pflegefamilie leben, bis zu 25 % ihres Einkommens aus Ausbildung oder anderen Tätigkeiten an das Jugendamt abgeben. Um ihnen den Start in eine selbstbestimmte und unabhängige Zukunft zu erleichtern, soll diese Kostenheranziehung abgeschafft werden.

Entlastung bei Kitagebühren: Darüber hinaus ist auf Landesebene im Bereich Kita geplant, Familien mit geringem Einkommen bei den Elternbeiträgen zu entlasten. Bisher wird diesen Familien eine vollständige oder teilweise Übernahme des Elternbeitrags durch den örtlichen Jugendhilfeträger gewährt. Für den Zeitraum eines halben Jahres wird diese Regelung ausgeweitet, so dass Familien nur 25 % statt 50 % des Anteils über der Einkommensgrenze für Elternbeiträge aufzuwenden haben. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Teilhabe an frühkindlicher Bildung nicht aufgrund gestiegener Energiepreise eingeschränkt werden muss

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