Geesthacht (LOZ). Wie geht Deutschland künftig mit den über Jahrzehnte entstandenen radioaktiven Abfällen um? Welche Konsequenzen resultieren daraus für die Standortgemeinden von Atomkraftwerken und wer wird in die Endlagersuche eingebunden? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland, kurz ASKETA.
Und in erster Reihe diskutiert Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze mit – denn er ist stellvertretender Vorsitzender der Gruppe, die 1994 gegründet wurde und sich als bundesweit agierende Interessenvertretung der Standortgemeinden versteht. „Es ist wichtig, dass wir unsere Positionen zu diesen Zukunftsfragen deutlich machen. Denn wir Standortgemeinden haben in der Vergangenheit bereits durch den Betrieb und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen entscheidende gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernommen und werden diese auch in den nächsten Jahrzehnten übernehmen“, betont Olaf Schulze, der auch am jüngsten Treffen der Interessengemeinschaft am 17. und 18. Juni in der unterfränkischen Gemeinde Grafenrheinfeld in nordbayerischen Landkreis Schweinfurt teilgenommen hat. Dabei wurden folgende Forderungen der Standortgemeinden festgezurrt:
- Die Mitglieder der ASKETA fordern bereits heute den Einstieg in das Neugenehmigungsverfahren für die zentralen Zwischenläger in Gorleben und in Ahaus und die zwingende Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung bei den Änderungsgenehmigungsverfahren zum Zwecke der erweiterten Zwischenlagerung der Behälter aus den Wiederaufbereitungsanlagen aus Sellafield und La Hague an den dafür vorgesehenen Standorten. Für alle Standorte wird der unverzügliche Einstieg in die Neugenehmigungsverfahren gefordert. Wir fordern eine befristete Genehmigung.
- Die Mitglieder der ASKETA fordern die Schaffung eines zentralen Eingangslagers, sobald der Endlagerstandort durch den Bundestag festgestellt ist.
- Die Mitglieder der ASKETA fordern eine gesetzliche Grundlage dafür, dass Sie mit zwei Sitzen im nationalen Begleitgremium Endlagersuche vertreten sind. Die Mitglieder der ASKETA fordern weiter eine gesetzliche Grundlage dafür, dass der Aufgabenkatalog des nationalen Begleitgremiums um die Zuständigkeit für die Thematik der Zwischenlagerung erweitert wird. Denn aktuell übernehmen die Standortkommunen der Zwischenlager die gesamtgesellschaftliche Aufgabe einer de facto Endlagerung.
- Die Mitglieder der ASKETA fordern für alle Zwischenlagerstandorte, nach dem nun alle Kraftwerke vom Netzt gegangen sind, und bereits heute klar ist, dass der bisherige Genehmigungshorizont der Zwischenlager nicht ausreicht, ab sofort eine Entschädigung analog der vertraglichen Regelungen für Ausgleichszahlungen in Ahaus und Gorleben. Zum Zeitpunkt der Ansiedlung der Kernkraftwerke erfolgte die Genehmigung auf Basis einer zugesicherten Endlagerung der atomaren Abfälle in einem zugesicherten Endlager. Ohne einen Entsorgungsnachweis hätte es einen Betrieb der Kraftwerke nie gegeben. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Endlagerung tragen de facto derzeit die Zwischenlagerkommunen. Eines steht fest, die politische Glaubwürdigkeit wird von den künftigen Endlagerstandorten danach bewertet, wie der Bund heute mit den Zwischenlagerkommunen umgeht.
- Die Mitglieder der ASKETA fordern als vertrauensschaffende Maßnahme gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der betroffenen Regionen einen verbindlichen Terminrahmenplan, der die Umsetzung der von der Endlagersuchkommission geplanten Verfahrensschritte beinhaltet.
- Gefordert werden einmal jährlich Information über den Fortgang der Planung zur Zwischen- und Endlagerung durch die zuständigen Bundesbehörden und -gesellschaften (BMU, BASE, BGZ, BGE) an die ASKETA.
„Diese Forderungen richten sich an die Politik sowie die zuständigen Stellen beim Bund. Die ASKETA-Gemeinden verfügen über jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit den kerntechnischen Anlagen und sind für den Erfolg des Standortauswahlprozesses wichtige Ansprechpartner für den Bund. Der gesamte Auswahlprozess für den Endlagerstandort nimmt einen noch erheblicheren Zeitraum als ursprünglich geplant in Anspruch. Diese Zeit geht zu Lasten der bisherigen Standortgemeinden. Für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger an diesen Standorten setzt sich die ASKETA ein und fordert ein zügiges Verfahren sowie eine entsprechende Beteiligung“, heißt es in dem im Anschluss an die Tagung verfassten gemeinsamen Positionspapier.
Anwesend bei der Tagung waren auch Vertreterinnen und Vertreter von Bundes- und Landespolitik. „Es war ein sehr konstruktiver inhaltlicher Austausch. Nachdem wir von Seiten der ASKETA unsere Forderungen formuliert hatten, wurden offene Fragen besprochen. Besonders wichtig ist mir zu betonen, dass wir auch weiterhin bereit sind, gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen. Wir brauchen aber gerade in Anbetracht der wegfallenden Gewerbeflächen und der zeitlichen Verschiebung einen Ausgleich“, sagt Olaf Schulze.
Das Kernkraftwerk in Krümmel ist seit 2011 außer Betrieb. 2015 hatte der Betreiber Vattenfall einen Antrag auf Stilllegung und Rückbau beim Ministerium für Energiewende, Klimaschutz und Umwelt in Schleswig-Holstein eingereicht. Seitdem dürfen im Kernkraftwerk vorbereitende Maßnahmen für den Abbau der Anlage getätigt werden – einen Termin für den Beginn des Abbaus gibt es noch nicht. Sicher ist aber: Der Abbau wird bis zu 15 Jahre andauern.
Zum Hintergrund zu ASKETA:
Die ASKETA ist Mitglied der GMF (Group of European Municipalities with Nuclear Facilities), in der sich zahlreiche europäische Standorte mit kerntechnischen Anlagen zu einer Interessensvertretung auf EU-Ebene zusammengeschlossen haben.
ASKETA-Präsident ist Josef Klaus, Bürgermeister der Gemeinde Niederaichbach (BY), seine Stellvertreter sind Stefan Martus, Bürgermeister der Stadt Philippsburg (BW) und Olaf Schulze, Bürgermeister der Stadt Geesthacht (SH).
Die ASKETA versteht sich als Interessensvertretung der Standortgemeinden, die durch den Betrieb und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen entscheidende gesamtgesellschaftliche Aufgaben in der Vergangenheit übernommen haben und auch in den nächsten Jahrzehnten übernehmen werden. Insbesondere die ungelöste Endlagerfrage stellt die Gemeinden vor erhebliche Herausforderungen. Da in den nächsten Jahrzehnten realistischer Weise nicht mit dem Betrieb eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle gerechnet werden kann, verbleiben diese Abfälle vor Ort in den Zwischenlägern der ASKETA-Gemeinden.
Die ASKETA-Gemeinden treffen sich abwechselnd zu Jahrestreffen an jeweils wechselnden Orten.
Weitere Informationen zu ASKETA gibt es im Internet unter www.asketa.de.