Vom Schulabbrecher zum Treuhandmanager und Projektleiter

Eddy Sobina (re.) erzählt der 10d der Gemeinschaftsschule Sandesneben. Foto: Durmis Özen Palma
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Eddy Sobina berichtet in der Gemeinschaftsschule Sandesneben als Zeitzeuge von seiner Jugend in der Nachkriegszeit

 

Sandesneben (LOZ). – Wie war es damals? – Das war die drängendste Frage, die die Schüler der 10d beschäftigte, als sie das Zeitzeugengespräch mit Eddy Sobina vorbereiteten. Am 22. Februar ist es dann soweit. Fleißige Hände hatten noch schnell in der Pause die Tische zur Seite gerückt und einen Stuhlkreis gebildet. Mit etwas größerem Abstand zu den Nachbarsitzen wartete nun ein bequemer roter Sessel auf seinen Einsatz. Und der Sessel musste noch eine Weile warten, denn als der hochgewachsene 81-jährige Eddy Sobina in der Klasse ankam, hatte er jede Menge Erinnerungsstücke aus seiner Jugend dabei: Schulbücher, Fotos, Schallplatten, Zeitungsausschnitte und vieles mehr sollten den Jugendlichen helfen, sich ein Bild von einer Jugend in der Nachkriegszeit zu machen.

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Doch bevor es mit der eigentlichen Nachkriegszeit losging, hatte der rüstige Gast noch einiges von seinen frühesten Kindheitserinnerungen zu berichten. Als sein Vater 1942 im Führerhauptquartier in Ostpreußen starb, war der kleine Eddy gerade mal ein Jahr alt. Seine Mutter sollte später berichten, dass genau zu diesem Zeitpunkt der kleine Junge auf das Bild seines Vaters gezeigt haben soll. Sobinas früheste eigene Erinnerung ist bis heute die an den eingequetschten Finger in der Tür des Luftschutzbunkers in Kiel. Seit dem könne er sich an alles erinnern, auch an das Ende des Krieges.

Nach der Flucht aus Zittau in Sachsen, landete die Familie schließlich in Schleswig-Holstein. Eddy Sobina berichtet den aufmerksam lauschenden Jugendlichen von seiner Schulzeit, die auch aufgrund der fehlenden Schulräume im Schichtmodell und zum Teil in der Kantine des dänischen Militärs in Rendsburg stattfand. Zu dieser Zeit hatte er auch seine erste unerwartete Begegnung mit einer Schokoladensuppe, den die englischen Besatzer in ihrem Küchenwagen auf dem Schulhof anboten. Das Plattschnacken habe er dann auf dem Hof des Bauern gelernt, der seine Mutter und ihn nach dem Krieg aufgenommen hatte. Dort erlernte er auch den ostpreußischen Dialekt von Hannchen, die ebenfalls auf dem Hof eine neue Heimat gefunden hatte. Während seiner Besuche bei seinem Onkel in Sachsen lernte er nicht nur den sächsischen Dialekt kennen, sondern auch den Teil Deutschlands, der nach dem Mauerbau für fast drei Jahrzehnte unerreichbar bleiben sollte.

Doch bis dahin hatten die 50er Jahre noch einige spannende neue Sachen für den jungen Mann zu bieten: Rock ‘n‘ Roll, Jazz und „die Tanzschule, wo es erste berührende Momente mit Mädchen gab.“

Besonders still wird es in der Klasse beim Bericht von seiner ersten Begegnung mit seiner späteren Frau Inge, die von nun an eine ganz wichtige Rolle in seinem Leben spielen sollte.

Auch das Thema Sprachen sollte für Eddy Sobina weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Und während die Konflikte zwischen Ost und West die Weltpolitik bestimmten, flog Eddy Sobina als Jugendlicher erstmal von der Schule. „Sprachversagen“ am Herder-Gymnasium in Rendsburg. „Die französische Sprache wurde mir zum Verhängnis“, berichtet er den Schülern und hält dabei stolz sein altes Französischbuch in die Luft, während einige in der Klasse verständnisvoll nicken, da sie das Problem nur zu gut kennen.

Für Eddy Sobina ging es im Jugendaufbauwerk in Suchsdorf weiter. Einer Institution, die bis heute jungen Schulabbrechern in Schleswig-Holstein hilft, auf dem Arbeitsmarkt fußzufassen. Es folgte eine Ausbildung zum Maschinenbautechniker in Kiel und die rasche Erkenntnis, dass er in diesem Beruf nicht alt werden würde. Als die Schüler sich erkundigen, wie er denn zu dieser Zeit den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit wahrgenommen habe, zögert der Zeitzeuge einen Moment. „Das Totschweigen sämtlicher Dinge, die das 3. Reich und das Handeln der Menschen betrafen, hat mir nicht gefallen.“

Doch Fragen von ihm und seinen Altersgenossen seien von der älteren Generation kaum beantwortet worden. Ja, man sei in Kriegsgefangenschaft gewesen und man habe von der Judenverfolgung nichts mitbekommen, lauteten die stereotypen Antworten.

Auf die Frage der Schüler nach dem Umgang mit den Juden nach dem Krieg folgt ein langes Schweigen, als sie erfahren, dass das Schicksal der Juden in der Nachkriegszeit ebenfalls totgeschwiegen wurde.

Das Schweigen, das diese Phase der deutschen Geschichte wie unter einer Decke verschwinden ließ, sollte erst viele Jahre später enden. Eddy Sobina hatte in der Zwischenzeit seinen Weg gefunden. In der Kreisberufsschule in Rendsburg erreichte er die Fachschulreife, einen Schulabschluss, mit dem er dann in Kiel auf der Ingenieurschule „Staatlich geprüfter Maschinenbautechniker” werden und 10 Jahre später in Hamburg an der damaligen „Hochschule für Wirtschaft und Politik“ Betriebswirtschaft studieren konnte. „Das Studium habe ich mir unter anderem als Musiker mit meiner Gitarre finanziert“ berichtet er schmunzelnd und reicht dabei ein Bild von sich mit seinem Instrument durch die Klasse.

In Kiel folgten viele Jahre bei Siemens, wo er sich im Betriebsrat für die Arbeitnehmerrechte und Sozialpläne bei Entlassungen einsetzte. Als überzeugter Europäer war er Mitbegründer der „Europäischen Volkspartei“, zu der auch die deutsche CDU gehört. Später reiste er als „Erdgas-, Oel- und Wassersucher“ in die Arabischen Emirate, nach Indien, Afrika und in die Ukraine. Als er nach der Wiedervereinigung bei der Treuhand anfing, managt er die Abwicklung von 652 ehemaligen DDR-Unternehmen, 10 Musterfarmen in den Ländern der ehemaligen UdSSR und profitierte immer wieder von seinem Sprachtalent. Heute spricht Eddy Sobina acht Sprachen und diverse deutsche Dialekte.

Für die letzte Fragerunde kommt dann schließlich auch mal der bislang ignorierte rote Sessel zum Einsatz. Und während sich die Schüler erkundigen, ob er gerne in einer anderen Zeit großgeworden wäre, kreisen seine vielen Erinnerungsstücke durch den Stuhlkreis. „Nein, aber es ist wichtig, dass man sich weiterentwickelt, neue Ideen aufnimmt und nicht stehen bleibt. Das geht heute genauso wie zu meiner Zeit. Ihr müsst euch engagieren und euch für die Sachen einsetzen, die euch wichtig sind.“

Kurznachrichten aus der Region


Sprechstunden der Behindertenbeauftragten
Die nächsten Sprechstunden der Kreisbehindertenbeauftragten Kirsten Vidal finden an folgenden Terminen statt:
Donnerstag, 25. April, von 14 bis 15.30 Uhr im Rathaus in Wentorf bei Hamburg, Hauptstraße 16.
Montag, 6. Mai, von 12 bis 16 Uhr im Raum 176 des Kreishauses, Barlachstraße 2, in Ratzeburg. Dort ist sie auch unter der Nummer 04541 / 888-493 telefonisch erreichbar.


Wentorfer Demo für Demokratie und Menschlichkeit
Unter dem Motto „Wentorf zeigt Gesicht“ findet am Sonntag, 28. April, um 15 eine Kundgebung auf dem Platz vor dem Rathaus statt. Eine Arbeitsgruppe aus allen Wentorfer Parteien hat ein breites gesellschaftliches Bündnis organisiert, das sich in die große Bewegung zur Verteidigung von Demokratie und Menschlichkeit einreiht. Das Format soll eine Kundgebung mit kulturellem Programm sein. Die Poetry Slam AG vom Gymnasium kommt mit einem Mini-Poetry-Slam. Es gibt Musik und Redebeiträge u.a. von der Bürgermeisterin Kathrin Schöning und Pastor Klein von der evangelischen Gemeinde. Die Veranstalter rufen zu friedlicher Teilnahme auf und freuen sich auf eine positive Stimmung bei hoffentlich schönem Frühlingswetter.


Beratung des Pflegestützpunktes in Wentorf
Der Pflegestützpunkt im Kreis Herzogtum Lauenburg bietet jeden 2. Donnerstag im Monat im Rathaus, Hauptstraße 16, von 14 bis 16 Uhr, individuell, kostenfrei und unabhängig Beratungen rund um das Thema Pflege und Vorsorge an. Lars Koßyk vom Pflegestützpunkt Im Kreis Herzogtum Lauenburg nimmt sich Zeit für vertrauliche Gespräche, berät zu den bestehenden Angeboten und unterstützt bei der Organisation von Hilfen. Persönliche Beratungen vor Ort sind nur unter telefonischer Terminvereinbarung vorab unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich. Der Pflegestützpunkt ist telefonisch erreichbar unter 04152 / 80 57 95 oder per E-Mail unter info@pflegestuetzpunkt-herzogtum-lauenburg.de


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