KZV Schleswig-Holstein übt Kritik am Rollout des E-Rezepts: Ein Tokenausdruck auf Papier ist kein Fortschritt

Foto: hfr
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(LOZ). Nachdem die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) am 22. August bis auf weiteres aus der Rollout-Phase des elektronischen Rezepts (E-Rezept) ausgestiegen ist, übt nun die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KZV S-H) Kritik an dem Projekt. Zum Hintergrund: Geplant war, dass die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe gemeinsam mit den Apothekern ab 1. September 2022 die bundesweite Einführung des E-Rezepts einleiten.

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„Wir müssen feststellen, dass die Versicherten wenige Tage vor dem geplanten Rollout nur äußerst unzureichend über das E-Rezept informiert sind. Hier sehen wir die Krankenkassen, die Nationale Agentur für Digitale Medizin (gematik) und das Bundesgesundheitsministerium in der Pflicht, die Patienten umfassend zu informieren“, sagt der Vorstandsvorsitzende der KZV Schleswig-Holstein Dr. Michael Diercks. „Die grundsätzliche Aufklärung über das E-Rezept kann neben der Patientenversorgung nicht von den Praxen geleistet werden.“

Kaum ein Patient kenne die E-Rezept-App der gematik. Ohnehin sei der potentielle Nutzerkreis stark eingeschränkt, da für die App eine NFCfähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) und ein NFC-fähiges Smartphone, für den vollen Funktionsumfang außerdem auch eine PIN der Krankenkasse für die eGK und eine Registrierung in der App notwendig sind.

„Nur wenige Patienten verfügen – auch aufgrund des Chipmangels – bisher überhaupt über eine solche eGK oder besitzen ein entsprechendes Smartphone-Modell“, weiß Peter Oleownik, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV S-H. Einrichtung und Aktivierung der App seien umständlich und würden zusätzlich durch das Verbot des Video-Ident-Verfahrens der Krankenkassen erschwert. Vor allem für ältere Patienten sei die Nutzung der App grundsätzlich eine große Hürde.

Nutzt der Patient die App nicht, erhält er – wie beim herkömmlichen „rosa Rezept“ – einen Ausdruck. In der Praxis betrifft das rund 99 Prozent der Verordnungsfälle. „Der Ausdruck eines QR-Codes auf ein weißes Blatt Papier anstelle der Ausstellung eines rosa Rezeptformulars ist kein elektronisches Rezept“, so Diercks. Für den neuen Ausdruck steige allerdings der Papierverbrauch. Auch der Zeitaufwand, etwa für die elektronische Signatur des Rezepts, sei höher.

„Die Ziele, die die Politik mit dem E-Rezept verfolgt, sind derzeit nicht realisiert: Der bürokratische Aufwand für die Erstellung des E-Rezepts in den Praxen wird nicht etwa reduziert, sondern erhöht sich sogar. Medienbrüche bestehen weiterhin. Und auch für die Patienten wird es nicht einfacher. Sie müssen nach wie vor mehrfach in die Apotheke gehen, wenn ihr Medikament nicht vorrätig ist und bei Rezeptnachbestellungen weiterhin in die Praxis kommen“, kritisiert Oleownik.

„In den zwei Monaten des intensiven Austauschs mit der gematik und den anderen beteiligten Gruppen mussten wir feststellen, dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezeptes leider nicht gegeben sind“, fasst er zusammen. In diesem Sinne zeige auch das sogenannte Dashboard der gematik für das E-Rezept nicht den tatsächlichen Digitalisierungsgrad an.

Hinzu komme, dass einige Hersteller von Praxisverwaltungssoftware den Praxen die notwendigen Module zur Erstellung eines E-Rezepts noch immer nicht zur Verfügung gestellt haben, so dass ein Test vor dem Rollout-Termin nicht möglich ist.

„Die KZV Schleswig-Holstein wird ihre Mitglieder bei der Umsetzung des ERezepts in den Praxen selbstverständlich weiter unterstützen“, erklären Oleownik und Diercks. Eine Umfrage unter den schleswig-holsteinischen Zahnärzten habe allerdings erhebliche Kritik am Projekt zutage treten lassen. Dabei hänge der Erfolg des E-Rezepts jedoch wesentlich von der Akzeptanz aller Beteiligten ab.

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