Geesthacht (LOZ). Die Umsetzung der Kita-Reform, die Einführung der Ganztagsbetreuung an Geesthachts Grundschulen, die Unterbringung von Geflüchteten, die Organisation von Jugendpflege – auch während der Corona-Pandemie: Christoph Wieck hat über Jahre den Lebensalltag vieler Geesthachter Familien mitgeprägt. Denn seit 2003 ist er in den Bereichen Soziales, Jugend, Sport, Kultur und Bildung im Geesthachter Rathaus tätig – immer in Leitungsposition. Jetzt geht der 62-Jährige in den Ruhestand und in den fast 45 Jahren im Öffentlichen Dienst hat er viele Reformen begleitet und umgesetzt, aber auch gesellschaftlichen Wandel miterlebt hat.
„Christoph Wieck hat über 20 Jahre lang in Geesthacht gearbeitet. In dieser Zeit hat er hier viel Verantwortung übernommen und für die Stadtverwaltung und die Einwohnenden der Stadt viele Aufgaben gelöst. Vielen Dank“, sagt Bürgermeister Olaf Schulze. „Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es schwierige Situationen: Christoph Wieck hat zum Beispiel entscheidend dazu beitragen, dass wir die Flüchtlingssituation gemeistert haben. Er hat, wenn nötig, kurzfristige Lösungen gefunden“, betont Olaf Schulze auch mit Hinblick auf die Herausforderungen, die Kita-Reform und Schulganztagsbetreuung mit sich brächten. „Er zeigt klare Haltung und packt zugleich die Themen in seiner ruhigen Art an – das macht ihn aus und so hat er viel für uns erreicht“, sagt Olaf Schulze.
Christoph Wieck, der in Bonn geboren ist, startete seine berufliche Laufbahn in Meckenheim (Nordrhein-Westfalen). Dort begann er im Alter von 16 Jahren seine Ausbildung bei der Verwaltung und merkte schnell: Stadtkasse oder Steuern waren nicht so sein Ding. Das Soziale und der dortige Kontakt zu den Menschen hatten es ihm schnell angetan. „Das Soziale hat sich dann wie ein roter Faden durch mein Berufsleben gezogen. Mich haben die Themen besonders interessiert und ich hatte auch immer das Gefühl, dass der Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden in den Sozialämtern ein besonderer ist. Die Belastung ist in den Sozialämtern immer sehr hoch. Man hat dort mit den Ängsten und Sorgen der Einwohnenden zu tun und muss in vielen Situationen Fingerspitzengefühl beweisen. Ohne die besonders große Kollegialität im Sozialen würden die Kolleginnen und Kollegen das nicht so lange Zeit aushalten“, resümiert Christoph Wieck.
Von 1978 bis 1990 war er bei der Stadt Meckenheim beschäftigt, dann zog er der Liebe wegen in den Norden und begann eine Anstellung bei der Stadt Hamburg – genauer gesagt in Bergedorf. Dort blieb Christoph Wieck von 1990 bis 2003, ehe er nach Geesthacht wechselte. Im Rathaus der Elbestadt übernahm er den Posten des Sozialamtsleiters und zugleich des Werksleiters vom Seniorenzentrum. 2014 wurden dann die Bereiche Soziales und Bildung zusammengelegt. Christoph Wieck übernahm die Leitung des Fachbereichs Bildung und Soziales, an den das Seniorenzentrum und das Jugendaufbauwerk direkt angegliedert sind. In dieser Funktion war Christoph Wieck für rund 200 Mitarbeitende zuständig. Zum 1. März 2024 wurde die Fachbereichsleitungsebene neu sortiert. Christoph Wieck gab in diesem Zuge aus seinem Fachbereich den Bereich Soziales ab und seine Nachfolge wird dann „nur“ noch für die Bereiche Bildung, Familie, Sport und Kultur zuständig sein. „Der große Fachbereich Bildung und Soziales umfasste einfach zu viel – zumal sich hinter jedem Themenfeld nicht nur viele Personen, sondern auch komplexe inhaltliche Zusammenhänge verbergen. Zudem sind viele Bereiche auch noch emotional sehr aufgeladen“, ordnet Christoph Wieck ein. Teil seines Jobs sei es gewesen all diese Komponenten unter einen Hut zu bringen, einen kühlen Kopf zu bewahren und bei allen Schritten die Teams mitzunehmen. In der Rückschau waren dabei vier Aufgaben besonders groß: die Schaffung der ARGE/Jobcenter zum Beispiel, bei der 2005 ein Großteil der Struktur der Sozialämter grundlegend verändert wurde und mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden die Arbeitsstelle wechseln mussten. „Es war viel Unsicherheit unter den Kolleginnen und Kollegen, so dass von mir einmal mehr viel Fingerspitzengefühl gefordert war“, sagt Christoph Wieck.
Ein Thema, das jahrelang sein Tagesgeschäft bestimmt hat und viele Kommunen auch weiterhin vor große Herausforderungen stellen wird, ist die Kita-Reform des Landes Schleswig-Holstein. „Sie ist seit 2020 in der Umsetzung und hatte eigentlich das Ziel, Eltern und Kommunen zu entlasten – beides steht gerade in Frage“, sagt Christoph Wieck. Aktuell stehe sogar im Raum, dass die Elternbeiträge, die seit einiger Zeit gedeckelt sind, erhöht werden müssen. „Oder wir als Kommune müssen noch stärker finanziell einsteigen… Aber das ist eine Entscheidung der Politik“, sagt Christoph Wieck, der angesichts der aktuellen Situation aber eine klare Botschaft nach Kiel sendet: Das Land muss verlässlich Rahmenbedingungen formulieren, wie die Kita-Betreuung künftig organisiert und vor allem finanziert werden soll – und das Land muss das schnell formulieren. „Das Land hat mit der Kita-Reform einheitliche Qualitätsstandards für die Kita-Betreuung im ganzen Land gesetzt. Diesen Ansatz fand ich auch in Ordnung. Man wollte nicht die Individualität einzelner Kitas und Kita-Träger einschränken. Aber es zeigt sich, dass die anhand der Standard-Kita bemessenen Finanzmittel des Landes an vielen Stellen nicht ausreichen. Auch die Kitas in Geesthacht fahren schon höhere Qualitätsstandards als die Kita-Reform mit den Landesmitteln finanzieren würde. Darum müssen sich Verwaltung und Politik hier vor Ort Gedanken machen, ob man qualitative Standards auf die zur Verfügung stehenden Mittel aus der Kita-Reform reduzieren möchte, oder ob wir aus eigenen Mitteln die Qualitätsstandards zumindest halten können.“ Ein weiteres Problem: Offiziell sei die Evaluationsphase der Kita-Reform inzwischen abgeschlossen, real laufen auf Landesebene aber noch Auswertungen. Christoph Wieck: „Die Ministerin hat bereits angekündigt, dass erst nach der Sommerpause die Ergebnisse aus den Auswertungen vorliegen werden, danach folgt die Finanzplanung des Landes. Bis der Haushalt steht, wird es Oktober oder November. Das ist für die Kommunen und die Kita-Träger aber viel zu spät. Wir müssten jetzt bereits Verträge schließen, um unsere Kita-Plätze zu sichern, wissen aber noch gar nicht, was das Land wirklich 2025 finanzieren wird. Und das obwohl die Kita-Reform eigentlich ab Januar 2025 vollumfänglich greifen und die Finanzierung dann für die Kommunen kostenneutral sein sollte – so hatte es die Landespolitik angekündigt. Aus meiner Sicht müsste man diese Zeitschiene dringend verändern.“
Verändert hat das Land in den vielen Jahren, die er im Öffentlichen Dienst arbeitet, auch die Schullandschaft. Ein dickes Brett, dass es zu stemmen gilt: Ab dem Jahr 2026 haben alle Schülerinnen und Schüler der Grundschulen einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung. In der Praxis bedeutet das für die Stadtverwaltung: Es muss zusätzlicher Raum geschaffen, sprich Schulen müssen erweitert werden. Und es gilt zusätzliche Lehr- beziehungsweise Betreuungskräfte zu finden, diese zu organisieren, zu strukturieren und zu bezahlen – ein Kraftakt. „In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Frage gestellt, ob Jugendarbeit und Jugendpflege noch so gewichtig sein wird und ob man diese Bereiche noch mit entsprechend viel Personal ausstatten muss, wenn die Ganztagsschule kommt. Ich sage, ja! Schule ist ein formaler Ansprechpartner. Unsere Jugendpflege – insbesondere unsere Geesthachter aufsuchende Jugendpflege – ist ein offener Bereich. Dort kann man sich öffnen und anvertrauen, muss aber nicht reden, wenn man nicht möchte. Das ist etwas anderes. Und wir haben spätestens während der Corona-Pandemie gesehen, wie wichtig die Arbeit unserer Jugendpflege ist. Unsere Kolleginnen und Kollegen haben in dieser für uns alle so belastenden Zeit, die mit so vielen Unsicherheiten und auch Entfremdung verbunden war, ganz tolle Arbeit geleistet. Ich bin der Geesthachter Politik auch dankbar, dass dort das Verständnis für die Arbeit unserer Jugendpflege vorhanden war und ist, sodass die Personalstellen in unserem Umfang erhalten bleiben“, betont Christoph Wieck.
Schnelles und zugleich überlegtes Handeln, in emotionalem Kontext – das war während der Corona-Situation von Nöten. Und diese Kombination zeichnete auch eine weitere große Herausforderung aus, die Christoph Wieck gefragt nach den Momenten nennt, die ihn in der Rückschau auf sein Berufsleben am meisten bewegten: Die Flüchtlingssituation 2015. „Als schlimmsten Moment erinnere ich 2015, als wir kurz vor Weihnachten die Turnhalle an der Berliner Straße für den Sport sperren und für die Unterbringung von Geflüchteten vorbereiten mussten. Das Land hatte uns so viele Personen angekündigt, die bei uns Schutz suchen werden, so dass es keine andere Möglichkeit gab. Anderen Wohnraum gab es nicht“, sagt Christoph Wieck, dem die Zeit der Ankunft der Asylsuchenden zugleich aber auch einige der positivsten Momente seines Berufslebens bescherte: „Wir haben in dieser schwierigen Zeit viel Unterstützung von Ehrenamtlichen erfahren. Ohne das Engagement von Ehrenamtlichen könnten Kommunen dieses Thema nicht bewegen – das ist klar.“ Aktuell seien Plätze in den Flüchtlingsunterkünften der Stadt frei – wie lange noch, weiß niemand. Denn: „Es ist uns bereits angekündigt worden, dass die Zahlen wieder steigen werden“, sagt Christoph Wieck, der sich in der weniger arbeitsreichen Zeit, die nun ansteht, selber auch vorstellen kann, ehrenamtlich tätig zu sein. In welchem Bereich? – mal schauen. „Meine Frau und ich reisen gerne. Wir möchten Deutschland noch besser kennenlernen, nachdem wir schon viel im Ausland waren. Und ich möchte wieder mehr Sport machen“, zählt Christoph Wieck einige Pläne für den Ruhestand auf. Und überhaupt, er möchte sich mehr treiben lassen, nach Lust und Laune handeln. „Ich möchte in den Garten gehen können, wenn das Wetter passt, nicht nur am Wochenende. Dort werde ich natürlich auch die Pflanzen pflegen, aber ich kann mich auch sehr gut ablenken. Ich muss nicht jedes Unkraut zupfen, sondern ich mag auch gerne mal lesen und mich überraschen lassen.“