Geesthacht (LOZ). Notaufnahme und Anlaufpraxis, die allen Geesthachterinnen und Geesthachtern sowie Einwohnenden der gesamten Region im Ernstfall medizinische Versorgung bieten, dazu etwa 700 Geburten im Jahr, psychiatrische Versorgung und Brustzentrum für den Südkreis sowie viele Fachabteilungen wie Inneres, Kardiologie und Chirurgie - das Geesthachter Krankenhaus ist von entscheidender Bedeutung für Geesthacht und weit über die Stadtgrenzen hinaus. Darüber sind sich alle Fraktionsvorsitzenden der Geesthachter Stadtpolitik und die Stadtverwaltung einig.
Und genauso einig sind sie sich darüber, dass sie alle die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen möchten, dass das Krankenhaus Geesthacht und dessen medizinische Versorgung der Region erhalten bleiben. Die Johanniter-Krankenhaus GmbH, die Johanniter Geriatrie und Seniorenzentrum Geesthacht GmbH sowie die Johanniter Medizinisches Versorgungszentrum Geesthacht hatten der Stadt kurzfristig mitgeteilt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die medizinische Versorgung soll vorerst wie gewohnt zur Verfügung stehen.
„Als Stadt bedauern wir sehr, dass die Johanniter offenbar keine andere Möglichkeit sehen, als Insolvenz anzumelden. Uns ist sehr daran gelegen, dass das Geesthachter Krankenhaus mit vielen Fachabteilungen und der Geriatrie erhalten wird. Das Krankenhaus Geesthacht ist sehr wichtig für die gesamte Region, erstrecht nachdem die Krankenhäuser Ratzeburg und Mölln bereits vor Jahren zusammengelegt und wichtige Fachabteilungen wie die Geburtsstation dort geschlossen worden sind“, ordnen Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze und Geesthachts Erste Stadträtin Melanie Grimm-Meyer die Bedeutung des Krankenhauses für die medizinische Infrastruktur ein. Das Krankenhaus hat nicht nur die einzige Geburtsabteilung des Kreises, sondern ist aufgrund von deren Ansatz und Arbeit auch als eines der wenigen Krankenhäuser Schleswig-Holsteins als baby- und stillfreundliches Krankenhaus mit einer besonders geringen Kaiserschnittquote ausgezeichnet.
Zudem macht das Krankenhaus überregional von sich Reden aufgrund des interdisziplinären Ansatzes im Bereich der psychiatrischen Betreuung. Das Krankenhaus, in dem jährlich 10.000 Patientinnen und Patienten stationär sowie 20.000 ambulant versorgt werden, ist Ausbildungsstandort und engmaschig mit Haus- und Fachärzten der Region vernetzt. Patientinnen und Patienten profitieren von der Anlaufpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung, die sich im Krankenhaus eingemietet hat, und von der Conradia Radiologie, die ebenfalls im Krankenhaus untergebracht ist und zu der Ärzte der ganzen Region für Untersuchungen überweisen. Die Klinik Am Runden Berge beschäftigt rund 600 Mitarbeitende, die Klinik für Geriatrie rund 100 Mitarbeitende und das Johanniter Haus (Seniorenzentrum) circa 50 Mitarbeitende. Das MVZ an der Bergedorfer Straße behandelt durch 13 Mitarbeitende rund 2.500 Patientinnen und Patienten pro Quartal. „Geesthacht ist eine wachsende Stadt. Für unsere Einwohnenden und die Stadt als Wirtschafts- sowie Wissenschaftsstandort hat das Krankenhaus eine sehr große Bedeutung“, betonen die Fraktionsvorsitzenden Christin Ischdonat (CDU), Petra Burmeister (SPD), Ali Demirhan (Bündnis 90/Die Grünen) und Christoph Hinrichs (BfG).
Die Stadt Geesthacht ist seit 1946 Krankenhausstandort. Die ersten Jahre war das Krankenhaus in städtischer Hand, seit 1982 haben die Johanniter den Betrieb übernommen. „Wir möchten mit Kreis, Land und interessierten Dritten ausloten, wie das Krankenhaus am jetzigen Standort fortgeführt werden kann“, erklärt die Verwaltungsspitze. Zur Einordnung: Die Krankenhausversorgung der Einwohnenden zu sichern, ist nach Landeskrankenhausgesetz Aufgabe von Land und Kreis bzw. der kreisfreien Städte. „Wir werden dennoch gemeinsam versuchen, das Krankenhaus zu retten. Auf politischer Ebene haben wir bereits Gespräche geführt, die auch fortgesetzt werden. Zudem werden wir externe Fachkompetenz hinzuziehen, so dass wir inhaltlich etwas zur Neuaufstellung des Krankenhauses beitragen können“, kündigen Olaf Schulze und Melanie Grimm-Meyer ein Vorgehen an, das zwischen der Stadtverwaltung und den Fraktionen der Ratsversammlung abgestimmt ist.
Regierungstragende Fraktionen beantragen Sondersitzung des Sozialausschusses zu Johanniter-Standort Geesthacht
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Johanniter Medizinisches Versorgungszentrum Geesthacht GmbH und die Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für die Johanniter-Krankenhaus Geesthacht GmbH sowie für die Johanniter Geriatrie und Seniorenzentrum Geesthacht GmbH haben die Region erschüttert. Die Landtagsabgeordneten Hauke Hansen, gesundheitspolitischer Sprecher, und Andrea Tschacher, die lokale Landtagsabgeordnete, erklären hierzu:
„Mit großer Besorgnis haben wir die Nachricht von der Insolvenz des Johanniter-Standortes Geesthacht vernommen. Der Standort Geesthacht ist essenziell für die Gesundheitsversorgung der Menschen in der Region. Diese Entwicklung ist ein harter Schlag ins Gesicht für alle, die hier täglich für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten arbeiten. Hier gibt es keine faulen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Betrieb in Schieflage gebracht haben: Die aktuell nicht auskömmliche Finanzierung der Klinikleistungen ist das Problem. Ein Großteil aller Krankenhäuser erzielen rote Zahlen. Es ist logisch, dass die Träger das nicht dauerhaft ausgleichen können und es so zu Insolvenzverfahren kommt“, so die beiden Landtagsabgeordneten.
Bemerkenswert: Noch im November letzten Jahres besuchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht. Er hob hervor, dass Einrichtungen wie Geesthacht von der geplanten Krankenhausreform profitieren würden, insbesondere durch eine bessere Abdeckung der Vorhaltekosten. Gleichzeitig stellte er in Aussicht, dass kleine, bedarfsnotwendige Krankenhäuser wie das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht eine Zukunftsperspektive erhalten könnten.
„Leider hat das aber nicht geholfen, dass Krankenhaus musste nun Insolvenz anmelden. Die Länder haben den Bund mehrfach aufgefordert, eine auskömmliche Übergangsfinanzierung bis zur Umsetzung und Wirkung der Reform zu gewährleisten. Die Insolvenz des Krankenhauses Geesthacht ist ein weiterer trauriger Beleg für die Richtigkeit und Dringlichkeit dieser Forderung“, so Hansen.
„Die geplante Krankenhausreform ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung, benötigt jedoch umfassende Anpassungen. Eine verlässliche Übergangsfinanzierung ist entscheidend, um unkontrollierte Klinikschließungen zu verhindern und die medizinische Versorgung in Flächenländern wie Schleswig-Holstein aufrechtzuerhalten“, so Tschacher.
Der Verlauf der beantragten Insolvenzverfahren bleibt abzuwarten. Wie sich der Geschäftsbetrieb aller Einrichtungen sowie die Versorgung der Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohner weiterentwickeln, wird von den kommenden Gesprächen und Entscheidungen abhängen.
Antrag auf Sondersitzung des Sozialausschusses gestellt
Um die Situation in Geesthacht umfassend zu erörtern, haben die regierungstragenden Fraktionen des Landtages eine Sondersitzung des Sozialausschusses beantragt. „Wir nehmen die Lage sehr ernst“, erklärten die Abgeordneten.
Die CDU-Fraktion hat darum gebeten, dass in der Sitzung auch Vertreter des Gesundheitsministeriums und der betroffenen Einrichtungen, sowie Vertreter der Träger und der zukünftigen Insolvenzverwaltung anwesend sind, um über die aktuellen Entwicklungen und mögliche Sanierungsperspektiven direkt zu berichten.
„Wir werden nichts unversucht lassen, um die gute Gesundheitsversorgung in der Region langfristig zu gewährleisten und wissen bei dieser Aufgabe die lokalen Verantwortungsträger an unserer Seite“, betonten Andrea Tschacher und Hauke Hansen abschließend.
Die Sondersitzung soll am Donnerstag (26.09.2024) stattfinden.
Nina Scheer: Geesthachter Krankenhaus erhalten
Zum erklärten Insolvenzantrag des Johanniter Krankenhauses Geesthacht erklärt die örtliche Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer, SPD: „Das Krankenhaus in Geesthacht muss erhalten bleiben. Erreichbare medizinische Versorgung ist unverzichtbar. Besonders hervorzuheben ist dabei die Bedeutung der Geburtsklinik mit ca. 700 Geburten im Jahr und der Gynäkologie. Insofern begrüße ich die fraktionsübergreifende Erklärung der Geesthachter Politik und Verwaltung, sich für den Erhalt des Krankenhauses einzusetzen. Die Entwicklung der Krankenhäuser und sich häufende Insolvenzen zeigt zugleich, wie dringlich eine strukturelle Reform zur Finanzierung von Krankenhaus- und Gesundheitsleistungen ist, für die wir uns aktuell mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einsetzen.“