Frauenberatung „Land-Grazien“: Kirche unterstreicht Bedeutung

Pastorin Johanna Lembcke-Oberem aus Lütau betont, wie wichtig die Arbeit der „Land-Grazien“ für Frauen und Kinder im ländlichen Lauenburg ist. Foto: KKLL-ab
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(LOZ). Die Empörung war groß, als die Nachricht kam, dass der Kreistag im Herzogtum Lauenburg die Förderung des Frauenberatungsangebots „Land-Grazien“ nicht fortsetzt. Das Team hatte für das kommende Jahr auf weitere 40 000 Euro für seine Arbeit gehofft. Von vielen Seiten bekommen die „Land-Grazien“ jetzt Unterstützung, auch aus dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.

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„Keine Gewalt gegen Frauen!“ Rund um die Orange Days Ende November war die Aufmerksamkeit auf die Themen häusliche Gewalt, Missbrauch und Stalking groß, die Unterstützung ebenso. Umso mehr sorgte es für Verwunderung, Irritation und Ärger, dass der Sozialausschuss des Kreistags im Herzogtum Lauenburg genau zu diesem Zeitpunkt beschloss, ein wichtiges Angebot in der ländlichen Region nicht mehr zu unterstützen: die „Land-Grazien“. Sie hatten für das Jahr 2022 vom Kreis 40 000 Euro Förderung bekommen.

Die Nachfrage nach Beratung und Hilfe zum Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder ist weiterhin enorm groß. Besonders vor und an Weihnachten melden sich deutlich mehr Frauen aufgrund häuslicher Gewalt. Und schon außerhalb dieser Zeit trudeln bei „Land-Grazien“-Leiterin Miriam Peters und ihren Mitarbeiterinnen etwa vier Neuanfragen von Frauen pro Woche ein. Die 40 000 Euro, die sie beim Kreis beantragt hat, seien enorm wichtig, um die Personalkosten und andere laufende Kosten weiterhin zu decken, so Sozialarbeiterin Peters. Gleichzeitig habe man eine Förderung beim Land Schleswig-Holstein beantragt, die noch nicht bewilligt sei. Außerdem laufen zahlreiche Bewerbungen bei Stiftungen.

Beratungsmobil der „Land-Grazien“ sichert Versorgung an entlegenen Orten

Die „Land-Grazien“ haben sich 2020 gegründet. Träger ist der Verein „Frauen helfen Frauen Sandesneben und Umgebung“. Sie ergänzen das bereits bestehende Angebot an Beratungsstellen für Frauen im ländlichen Kreis Herzogtum Lauenburg durch einen entscheidenden Faktor. Im Jahr 2021 konnten sie mithilfe von Stiftungsgeldern einen Transporter kaufen, der als mobiles Beratungsmobil dient. Hier können Frauen in geschütztem Raum beraten werden, ohne selbst weit fahren zu müssen. In den Sozialen Netzwerken bekommen die „Land-Grazien“ eine große Aufmerksamkeit, da sie zum einen informieren und zum anderen einfache Kontaktmöglichkeiten bieten.

Sichtbarkeit in den Sozialen Medien als Stärke der „Land-Grazien“

„Ich empfinde die Arbeit der ‚Land-Grazien‘ in unserem Kreis als eine große Bereicherung“, sagt Johanna Lembcke-Oberem. Sie ist Pastorin in Lütau und wird am Mittwoch, 7. Dezember, auf einer Podiumsdiskussion im Burgtheater Ratzeburg sprechen, zu der die „Land-Grazien“ Vertreter aus Politik und Gesellschaft eingeladen haben. „Als Pastorin auf dem Land bekomme ich einiges von dem mit, was in Familien los ist. Vieles aber auch nicht“, ergänzt sie. „Dass Gewalt, körperlicher oder seelischer Art, Frauen und auch Kinder überall betrifft - in der Stadt, auf dem Land, dort wo Menschen zusammenleben - wird gerne verschwiegen. Als Seelsorgerin bin ich froh, betroffene Frauen an kompetente Beratungseinrichtungen verweisen zu können. Die Arbeit der ‚Land-Grazien‘ ist auch deshalb so wichtig, weil sie sichtbar und laut ist. Es geht darum, nicht zu verschweigen, was passiert. Darauf aufmerksam zu machen, besonders in den Sozialen Medien, ist neben der Beratungsarbeit eine große Stärke der Landgrazien.“

Förderung der „Land-Grazien“ wird erneut Thema im Kreistag sein

Zum Hintergrund: Der Antrag der „Land-Grazien“ auf Weiterfinanzierung wurde Ende November im Sozialausschuss des Kreistags mit Stimmen der CDU und bei Enthaltung der FDP und Grünen abgelehnt. Bei den bereits bewilligten 40 000 Euro für 2022 habe es sich nur um eine Brücken- bzw. Anschubfinanzierung gehandelt, hieß es unter anderem zur Begründung. Außerdem seien im Haushalt 2023 nicht ausreichend Mittel vorhanden. Mittlerweile hat die SPD beantragt, dass bei der Kreistagssitzung am 8. Dezember erneut über den Antrag der „Land-Grazien“ entschieden wird.

Zurzeit arbeiten vier Frauen in Festanstellung für das Projekt, dazu gibt es einige Ehrenamtliche. Die „Aktion Mensch“ hat das Beratungsangebot ausgezeichnet und fördert es mit 300.000 Euro über fünf Jahre.

Ev. Frauenwerk: Präsenz vor Ort ist wichtig

Auch Silke Meyer vom Evangelischen Frauenwerk Lübeck-Lauenburg sieht die große Bedeutung von Hilfsangeboten in der Region. Sie spricht sich für mehr Anlaufstellen im ländlichen Raum aus: „Zur Erreichbarkeit bei akuten Notlagen von professionellen Hilfsangeboten wird nicht selten ein eigener PKW benötigt, da der Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr hier oft nur über Schulbusse organisiert ist“, betont Meyer. „Oft vergeht enorm viel Zeit, bis sich Frauen und Kinder, die häusliche Gewalt erleben, Hilfe holen. Kinder, finanzielle und emotionale Abhängigkeit machen diesen Schritt oft schwer. Je enger professionelle Akteure für potentiellen Täter und Opfer vor Ort präsent sind, desto mehr kann dies eine effektivere Wirkung von stärkerer sozialer Kontrolle bieten.“

Propst Philip Graffam: „Brauchen Stärkung für Frauen in Not“

Die Notwendigkeit von Beratungsstellen für Frauen in Notsituationen steht auch für Propst Philip Graffam außer Frage. Er verweist auf aktuelle Zahlen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wonach jede vierte Frau mindestens einmal im Leben Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner wird. „Die ‚Land-Grazien‘ bieten neben allen wichtigen, bereits bestehenden Beratungsmöglichkeiten eine weitere niedrigschwellige Beratungsmöglichkeit für Frauen, die Schutz und Hilfe benötigen“, betont Graffam. „Denn gerade im ländlichen Raum braucht es eine möglichst mobile und anonyme Beratung, die auch mal schnell vor Ort sein kann. Durch ihre Telefon- und Onlineberatung kommt hilfreich das Beratungsmobil hinzu. Wir brauchen diese Stärkung für Frauen in Not in unserer Region.“

Kurznachrichten aus der Region


Sprechstunden der Behindertenbeauftragten
Die nächsten Sprechstunden der Kreisbehindertenbeauftragten Kirsten Vidal finden an folgenden Terminen statt:
Donnerstag, 25. April, von 14 bis 15.30 Uhr im Rathaus in Wentorf bei Hamburg, Hauptstraße 16.
Montag, 6. Mai, von 12 bis 16 Uhr im Raum 176 des Kreishauses, Barlachstraße 2, in Ratzeburg. Dort ist sie auch unter der Nummer 04541 / 888-493 telefonisch erreichbar.


Wentorfer Demo für Demokratie und Menschlichkeit
Unter dem Motto „Wentorf zeigt Gesicht“ findet am Sonntag, 28. April, um 15 eine Kundgebung auf dem Platz vor dem Rathaus statt. Eine Arbeitsgruppe aus allen Wentorfer Parteien hat ein breites gesellschaftliches Bündnis organisiert, das sich in die große Bewegung zur Verteidigung von Demokratie und Menschlichkeit einreiht. Das Format soll eine Kundgebung mit kulturellem Programm sein. Die Poetry Slam AG vom Gymnasium kommt mit einem Mini-Poetry-Slam. Es gibt Musik und Redebeiträge u.a. von der Bürgermeisterin Kathrin Schöning und Pastor Klein von der evangelischen Gemeinde. Die Veranstalter rufen zu friedlicher Teilnahme auf und freuen sich auf eine positive Stimmung bei hoffentlich schönem Frühlingswetter.


Beratung des Pflegestützpunktes in Wentorf
Der Pflegestützpunkt im Kreis Herzogtum Lauenburg bietet jeden 2. Donnerstag im Monat im Rathaus, Hauptstraße 16, von 14 bis 16 Uhr, individuell, kostenfrei und unabhängig Beratungen rund um das Thema Pflege und Vorsorge an. Lars Koßyk vom Pflegestützpunkt Im Kreis Herzogtum Lauenburg nimmt sich Zeit für vertrauliche Gespräche, berät zu den bestehenden Angeboten und unterstützt bei der Organisation von Hilfen. Persönliche Beratungen vor Ort sind nur unter telefonischer Terminvereinbarung vorab unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich. Der Pflegestützpunkt ist telefonisch erreichbar unter 04152 / 80 57 95 oder per E-Mail unter info@pflegestuetzpunkt-herzogtum-lauenburg.de


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