Büchen (LOZ). Die Initiatoren des Bürgerentscheids betonen den naturschutzfachlichen Wert der Steinkrüger Koppel. Der Lebensraum wird durch außerörtliche Bebauung laut der Initiative unwiederbringlich vernichtet. Die Argumente pro Naturschutz gelten nach allgemeiner Auffassung zwar in erster Linie für nicht landwirtschaftlich genutzte Freiflächen, doch auch die Steinkrüger Koppel sei durch ihre Lage zwischen Steinau-Biotop und dem FFH-Schutzgebiet Nüssauer Heide von sehr hohem ökologischem Wert.
Nicht zuletzt die Unterstützung des Bürgerentscheids durch örtliche Umweltschutzverbände wie NABU und BUND mache dies deutlich. Karl-Heinz Weber vom NABU Büchen: „Die Landschaft um die bedrohte Koppel lässt sich als Feinmosaik verschiedener Lebensräume, wie Wärmeheide, Feuchtwiese mit Bachlauf, Waldrand und Feld beschreiben. Die örtliche Nähe dieser unterschiedlichen Biotope macht die Steinkrüger Koppel besonders schützenswert.“ Das diskutierte Gewerbegebiet verschlechtere auch den ökologischen Zustand benachbarter Flächen unausweichlich, ist sich die Bürgerinitiative sicher.
Ackerfläche ist größter Lebensraum im Land
Die landwirtschaftlich genutzte Fläche selbst, mit ihren jährlich neu eingesäten Feldfrüchten, stellt einen wichtigen Lebensraum dar. Norddeutschland ist geprägt durch seine landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft und Ackerbau ist die häufigste Nutzungsart. „Viele heimische Tiere haben sich an unsere Feld- und Knickstrukturen angepasst. Die Knicks in der Umgebung Büchens spielen als Lebensraum der streng geschützten und in ihrem Bestand stark gefährdeten Haselmaus eine besondere Rolle. Insekten, Vögel und auch größere Wildtiere suchen zu unterschiedlichsten Jahreszeiten unsere Felder zur Nahrungssuche, Paarung oder sogar Brut auf“, sagt Biologin Uta Kielau aus Büchen. Landwirtschaftliche Flächen gehören für Wildtiere zu den letzten Rückzugsorten vor menschlicher Störung.
Das wichtigste Gut aber sei der fruchtbare Ackerboden selbst, der neben der Funktion als Nahrungsmittelproduzent einen lebendigen Kosmos aus Mikroorganismen beherbergt. Neue Bestimmungen aus der Agrarreform 2023 fördern außerdem eine Aufwertung des Ackerlebensraumes durch z.B. Zwischenfrüchte, Abstandsgebote und vergütete Extramaßnahmen, wie Blühstreifen.
Die Maispflanze als Sündenbock?
Die Befürworter des geplanten Gewerbegebietes argumentierten bisher mehrfach, der „Maisacker“ sei „tot“ und sein unwiederbringlicher Verlust stelle deshalb kein Problem dar, so die Initiative. „Auf die Tatsache, dass gute Landwirtschaftliche Praxis, die unabhängig von dieser Diskussion zu fordern ist und die wir voraussetzen, eine wechselnde Fruchtfolge einschließt, und damit der Maisanbau bestenfalls im Wechsel mit anderen Früchten in Frage kommen dürfte, haben wir bereits mehrfach hingewiesen. Mit dieser Feststellung und der oben stehenden Erläuterung der Bedeutung des Lebensraums Acker ist die Legende vom „toten Maisacker“ einmal mehr widerlegt. Im Falle der Steinkrüger Koppel gibt es zudem keine weiteren direkt angrenzenden Äcker, auf denen ausschließlich Mais angebaut wird, weshalb der Begriff Monokultur in diesem Fall fehl am Platz ist. Außerdem ist die Maispflanze an sich selbstverständlich nicht „böse“, sondern leistet einen wertvollen Beitrag zu unserer Ernährung. Hier geht es allgemein um den Nutzen des Maisanbaus, nicht nur um die betroffene Koppel. Vom betroffenen Landwirt der Steinkrüger Koppel haben wir keine direkten Informationen, wie der Mais verwendet wird. Wir weisen darauf hin, dass Mais als Tierfuttermittel indirekt natürlich auch der menschlichen Ernährung dient. Obendrein hat die Recherche der Bürgerinitiative ergeben, dass der Pestizideinsatz bei Getreide z.B. deutlich höher ausfällt als beim Maisanbau, ein ökologisch wichtiger Aspekt. Durch den späten Erntezeitpunkt bilden Maiskulturen außerdem als pflanzlicher Rückzugsraum die sogenannte Grüne Brücke, wenn zeitgleich andere Felder nur noch Stoppeln aufweisen. Das verallgemeinernde Verteufeln des Maisanbaus seitens der Gewerbelobby sehen wir daher als dreisten Versuch der Tatsachenverdrehung. Der Mais soll hier scheinbar als Sündenbock herhalten und damit der Gewerbebebauung den Weg ebnen“, so die Initiatoren.
Die Bundesgeschäftsstelle des NABU sieht allerdings den Maisanbau als kritisch an, zumal eine Fruchtfolge derzeit diskutiert wird und aufgeweicht werden könnte, wie der NABU mitteilt. Im Juli schrieb der NABU daher in einer Pressemitteilung: „Silomais gilt als humuszehrende, also den Boden auslaugende Kultur. Durch die Aussaat in weiter Reihe ohne zusätzliche Bodenbedeckung sind Maisfelder anfällig für Bodenerosion. Der sich stetig vermindernde Humusgehalt der Böden bei dem oft praktizierten Maisanbau ohne Fruchtwechsel vermindert maßgeblich die Wasserspeicher- und Infiltrationskapazität der Böden. Stickstoffbindende Bakterien und Mykorrhizapilze leiden unter dem zunehmenden Humusverlust und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und synthetischen Stickstoffdüngern. Sie sind jedoch wichtig, um der Pflanze Wasser und Nährstoffe zu liefern. Die künstlichen Düngestoffe werden unter hohem Erdgaseinsatz und zu hohen Umweltkosten hergestellt und eingesetzt. Schlussendlich erhöht die Ernte zum Ende der Vegetationsperiode hin die Wahrscheinlichkeit, bei nicht optimalen Bodenverhältnissen mit schweren Erntemaschinen die Felder zu befahren und so die Böden weiter zu verdichten.“
Wer sich über das geplante Gewerbegebiet informieren möchte, hat dazu am Sonntag, 6. September, um 14 Uhr auf Einladung der Gemeindevertretung sowie der WFL und des Gewässerunterhaltungsverbandes die Gelegenheit dazu. Dann stellen sie die das Projekt vor und beantwortet Fragen. Treffpunkt ist direkt an der ausgewiesenen Fläche (vom Heideweg hinter dem Gewerbegebiet Am Hesterkamp rechts abbiegen).