Hilfe für Betroffene von sexualisierter Gewalt: Kirchenkreis setzt auf Prävention und Aufklärung

Digitaler Alarmbutton: Janina Timmermann, Leiterin der Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt beim Kirchenkreis, und Pröpstin Petra Kallies setzen ein Zeichen für den Opferschutz. Foto: Bastian Modrow
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„Wir gehen mit dem Thema um. Offen und transparent.“

 

Lübeck (bm). Der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg setzt bei Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt auf Transparenz und Konsequenz. Die klare Botschaft: „Wir reden nichts klein. Wir hören zu, wir bieten Hilfe und Unterstützung an, wir reagieren und ziehen notwendige Konsequenzen“, sagt Lübecks Pröpstin Petra Kallies.

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Ab sofort sind auf der Startseite der Webseite die Kontaktdaten zur Meldestelle auf den ersten Blick zu finden. Beobachtungen, Vermutungen und Erfahrungen können telefonisch oder digital gemeldet werden. Überdies sollen alle Kirchengemeinden individuelle Schutzkonzepte zum Schutz potenzieller Opfer erarbeiten.

Der Umgang mit sexualisierter Gewalt und Macht(-missbrauch) ist ein wichtiges Thema - für die EKD und die Nordkirche ebenso wie für den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg. „Als Kirche gehen wir das Thema offensiv an. Die Missbrauchsfälle in Ahrensburg waren für die Nordkirche ein sehr sehr lauter Weckruf“, betont Petra Kallies. „Wir haben ein Präventionsgesetz entwickelt und beschlossen, das uns allen klar vorgibt, dass wir uns mit dem Thema auseinanderzusetzen haben.“ Es liege nicht mehr im Belieben oder in der Initiative Einzelner, wie bestimmte Ereignisse zu handhaben sind und wie intensiv diesen nachzugehen ist.

Der Kirchenkreis hat eine eigens eingerichtete Meldestelle. Auf der Webseite des Kirchenkreises www.kirche-LL.de gibt es ab sofort einen deutlich sichtbaren Aufruf, sich nicht nur zu melden, wenn man selbst Opfer von Grenzverletzungen, Übergriffigkeiten und sexualisierter Gewalt geworden ist. Man soll auch Beobachtungen benennen. Für Janina Timmermann, Leiterin der Präventionsabteilung sexualisierte Gewalt beim Kirchenkreis, ein gleichermaßen wichtiger und konsequenter Schritt mit einer klaren Botschaft: „Wir gehen mit dem Thema um. Transparent und offen. Und wir wollen davon erfahren, um im Sinne des Opferschutzes handeln zu können.“

Meldestelle für Menschen, die sich Sorgen machen

Die Meldestelle ist primär für Menschen gedacht, die sich Sorgen machen. „Das gilt für Personen, die kirchliche Angebote in Anspruch nehmen. Ausdrücklich gilt dies aber für kirchlich Mitarbeitende, sowohl haupt- als auch ehrenamtliche“, erläutert Janina Timmermann. Mit dem Präventionsgesetz der Nordkirche ist nämlich zugleich auch eine Meldepflicht beschlossen worden. Das bedeutet: Wenn es die Vermutung gibt, dass gegen das Abstinenz- und Abstandsgebot verstoßen wurde oder dass es möglich ist, dass es um sexualisierte Gewalt geht, müssen Mitarbeitende dies melden. „Man darf bei Auffälligkeiten nicht mit sich selbst ausmachen, ob das Beobachtete oder Gehörte nun schlimm war und ob man die Info weitergeben muss oder nicht.“

Für das weitere Vorgehen gibt es einen klar strukturierten Interventions- und Handlungsplan. Im ersten Schritt werden die vorliegenden Informationen gesichtet. Einbezogen werden die pröpstliche Person als Leitung des Verfahrens, die meldebeauftragte Person, die Präventionsbeauftragte und - wenn es sich beispielsweise um eine Einrichtung handelt - auch die Leitungsperson. „Wir tragen alle verfügbaren Daten und Fakten für eine Bewertung zusammen. Dieser genaue und gründliche Schritt ist entscheidend, um letztlich eine elementar wichtige Gefährdungseinschätzung treffen zu können, die von einem zweifelsfrei unbegründetem Verdacht bis hin zu Gefahr in Verzug reichen kann“, fasst die Präventionsbeauftragte zusammen.

Krisenstab für akute Verdachtsfälle

Gibt es einen wahrscheinlichen oder gar begründeten Verdacht, wird von dem zuständigen Propst oder der Pröpstin ein Krisenstab einberufen. Pro Jahr ist dies bisher im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg etwa drei bis vier Mal der Fall gewesen. „Wir ziehen weitere Personen hinzu - eine externe Expertin oder einen externen Experten für Kinder- und Jugendschutzfragen zum Beispiel. Wir haben eine juristisch erfahrene Person dabei und jemanden aus dem Bereich Kommunikation. Reicht dies noch nicht aus, ziehen wir weitere Expertise hinzu, die notwendig ist“, berichtet Pröpstin Kallies.

Die Arbeit ersetzt nicht die der Strafverfolgungsbehörden. „Für uns steht der Opferschutz im Vordergrund. Die Frage, ob eine Strafanzeige im jeweiligen Verfahren zu stellen ist, begleitet zu jedem Zeitpunkt das gesamte Agieren des Krisenstabes“, betont Janina Timmermann.

Aufgabe der Kirchengemeinden in Lübeck und im Herzogtum Lauenburg ist es in einem weiteren Schritt, individuelle Schutzkonzepte zu entwickeln. Ziel ist es, präventive Maßnahmen in allen Bereichen der Gemeinde zu etablieren und frühzeitige Intervention zum Schutz (potenziell) Betroffener zu ermöglichen. In Arbeitsgruppen, in denen ehren- und hauptamtlich Mitarbeitende zusammenwirken, wird eine dezidierte Potenzial- und Risikoanalyse erstellt - für alle Bereiche von der Arbeit im Kindergarten über Konfi-Gruppen bis zu den Angeboten für die älteren und betagten Gemeindemitglieder. Welche räumlichen Gegebenheiten in der Kirchengemeinde bergen mögliche Gefahren und wie können diese behoben werden? Wer hat eigentlich Zugriff auf Schlüssel für bestimmte Bereiche? Wie sind die Ansprechpersonen in der Gemeinde erreichbar, wenn sich jemand beschweren möchte? Wie ist die Kultur des Miteinanders? Wie kann sichergestellt werden, dass individuelle Grenzen aufgezeigt, respektiert und eingehalten werden?

Leicht fällt die Arbeit in den Gemeinden nicht. Das Thema sexualisierte Gewalt ist belastend, vielschichtig - und nicht immer eindeutig. Die Auseinandersetzung verlangt von jedem einzelnen in der Gruppe immer wieder, sich in Situationen hineinzuversetzen. Was ist grenzwertig? Was ist eine Grenzverletzung? Welche Meldewege sind erforderlich? Was können wir tun, um dieses Risiko zu minimieren? „Man spürt, dass die Bereitschaft wächst, sich mit der unweigerlich belastenden Thematik auseinander zu setzen - und darüber bin ich froh“, sagt Pröpstin Petra Kallies.

Kurznachrichten aus der Region


Sprechstunden der Behindertenbeauftragten
Die nächsten Sprechstunden der Kreisbehindertenbeauftragten Kirsten Vidal finden an folgenden Terminen statt:
Donnerstag, 25. April, von 14 bis 15.30 Uhr im Rathaus in Wentorf bei Hamburg, Hauptstraße 16.
Montag, 6. Mai, von 12 bis 16 Uhr im Raum 176 des Kreishauses, Barlachstraße 2, in Ratzeburg. Dort ist sie auch unter der Nummer 04541 / 888-493 telefonisch erreichbar.


Wentorfer Demo für Demokratie und Menschlichkeit
Unter dem Motto „Wentorf zeigt Gesicht“ findet am Sonntag, 28. April, um 15 eine Kundgebung auf dem Platz vor dem Rathaus statt. Eine Arbeitsgruppe aus allen Wentorfer Parteien hat ein breites gesellschaftliches Bündnis organisiert, das sich in die große Bewegung zur Verteidigung von Demokratie und Menschlichkeit einreiht. Das Format soll eine Kundgebung mit kulturellem Programm sein. Die Poetry Slam AG vom Gymnasium kommt mit einem Mini-Poetry-Slam. Es gibt Musik und Redebeiträge u.a. von der Bürgermeisterin Kathrin Schöning und Pastor Klein von der evangelischen Gemeinde. Die Veranstalter rufen zu friedlicher Teilnahme auf und freuen sich auf eine positive Stimmung bei hoffentlich schönem Frühlingswetter.


Beratung des Pflegestützpunktes in Wentorf
Der Pflegestützpunkt im Kreis Herzogtum Lauenburg bietet jeden 2. Donnerstag im Monat im Rathaus, Hauptstraße 16, von 14 bis 16 Uhr, individuell, kostenfrei und unabhängig Beratungen rund um das Thema Pflege und Vorsorge an. Lars Koßyk vom Pflegestützpunkt Im Kreis Herzogtum Lauenburg nimmt sich Zeit für vertrauliche Gespräche, berät zu den bestehenden Angeboten und unterstützt bei der Organisation von Hilfen. Persönliche Beratungen vor Ort sind nur unter telefonischer Terminvereinbarung vorab unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich. Der Pflegestützpunkt ist telefonisch erreichbar unter 04152 / 80 57 95 oder per E-Mail unter info@pflegestuetzpunkt-herzogtum-lauenburg.de


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